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Die Frage nach dem Ursprung der Schwarzerden ist bis heute in der Wissenschaft umstritten. Die Ergebnisse einer von Dr. Hans von Suchodoletz vom Institut für Geographie der Universität Leipzig und Professor Tony Reimann vom Geographischen Institut der Universität Köln geleiteten multidisziplinären Studie erlauben nun einen deutlich besseren Einblick in die Bildungsbedingungen dieser sehr fruchtbaren Ackerböden.

Schwarzerden sind durch einen mehrere Dezimeter mächtigen dunkel gefärbten Humushorizont charakterisiert. Sie gehören zu den fruchtbarsten Ackerböden weltweit, sind wichtige Kohlenstoffspeicher, und vor allem in Steppengebieten verbreitet. Das westlichste zusammenhängende Schwarzerdegebiet Europas findet sich im östlichen Regenschatten des Harzes in Mitteldeutschland. Diese Böden liefern höchste Ackererträge und sind somit sehr bedeutsam für die Nahrungsmittelproduktion Deutschlands. Daher werden Schwarzerdegebiete auch häufig als „Kornkammern“ bezeichnet.

Eine bis heute in der Wissenschaft umstrittene Frage ist jene nach dem Ursprung dieser Böden, das heißt ob diese natürlich oder mit Hilfe des Menschen gebildet wurden. Die bisherigen Forschungsergebnisse sind diesbezüglich widersprüchlich. Dies liegt auch an der bisher verwendeten Radiokohlenstoff-Datierungsmethode, welche organische Bodensubstanz analysiert, die sich in diesen Böden fortlaufend erneuert. Somit lieferten diese Datierungen relativ junge Alter nach dem Beginn neolithischer Ackerbautätigkeit vor etwa  7.500 Jahren, was zu dem Schluss führte, dass diese Böden sich nur im Zusammenhang mit menschlicher Aktivität bilden konnten.

Im Zuge archäologischer Ausgrabungen des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt am zwischen Halle und Leipzig gelegenen ehemaligen frühbronzezeitlichen Grabhügel „Bornhöck“ wurde eine vor etwa 3.800 Jahren begrabene Schwarzerde entdeckt. Diese war seit jener Zeit vor äußeren natürlichen und menschlichen Einflüssen geschützt und hat somit den Zustand dieser Böden von vor einigen Tausend Jahren konserviert. Im Rahmen einer von Dr. Hans von Suchodoletz vom Institut für Geographie der Universität Leipzig und Professor Tony Reimann vom Geographischen Institut der Universität Köln geleiteten multidisziplinären Studie an dieser begrabenen Schwarzerde wurde die frühere Durchmischung des Humushorizonts durch Bodenwühler, ein typischerweise in Schwarzerden ablaufender bodenbildender Prozess, mittels der Einzelkorn-Lumineszenzmethode an Sandkörnern datiert. Hierbei zeigen die Alter der Sandkörner den Zeitpunkt an, wann diese im Zuge der biologischen Durchmischung das letzte Mail an der Oberfläche durch Sonnenlicht belichtet wurden.

Die im Fachjournal Nature Scientific Reports publizierten Ergebnisse zeigen Bodenbildungsalter deutlich vor Beginn neolithischen Ackerbautätigkeit in der Region. Die Bildung der mitteldeutschen Schwarzerden muss demnach bereits vor dem Beginn sesshafter menschlicher Aktivitäten auf Grund natürlicher Faktoren begonnen haben. Vermutlich spielten hierbei neben dem Eintrag feiner Holzkohlepartikel durch natürliche Feuer auch das relativ trockene Klima im Regenschatten des Harzes sowie das kalkhaltige Ausgangsmaterial eine Rolle, welche eine Stabilisierung der organischen Substanz des Humushorizonts erlaubten. Somit waren im Gegensatz zu früheren Hypothesen die durch prähistorischen Ackerbau geschaffenen künstlichen Steppenbedingungen sowie der menschliche Eintrag feiner Holzkohlepartikel für die Bildung dieser Schwarzerden nicht entscheidend. Die Ergebnisse dieser Studie erlauben einen deutlich besseren Einblick in die Bildungsbedingungen der fruchtbaren und heutzutage durch menschliche Aktivitäten stark gefährdeten Schwarzerden, was eine Voraussetzung für das Verständnis deren langfristiger Entwicklung und somit möglicher Schutzmaßnahmen darstellt.

Originaltitel der Veröffentlichung in „Nature Scientific Reports”
Deciphering timing and rates of Central German Chernozem/Phaeozem formation through high resolution single-grain luminescence dating, doi: 10.1038/s41598-023-32005-9