Pressemitteilung 2016/121 vom

Physikern der Universität Leipzig ist ein wegweisender Durchbruch bei der Erforschung von Supraleitern gelungen, die Strom ohne Widerstand und damit ohne Verlust fließen lassen: Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Jürgen Haase entwickelte eine experimentelle Methode auf der Basis von Magnetresonanz, mit der für die Supraleitung relevante Veränderungen in der Struktur der Materialien gemessen werden können. Dies könnte die Voraussetzung für die Herstellung eines Supraleiters bei Raumtemperatur sein, was seit Jahrzehnten der Traum vieler Physiker ist. Bisher ist dies nur bei sehr tiefen Temperaturen um minus 150 Grad Celsius und darunter möglich, die nirgends auf der Erde einfach zu finden sind, sondern aufwändig in Laboren bereitgestellt werden müssen.

"Ein möglicher Einsatz bei Raumtemperatur würde eine technologische Revolution bedeuten", sagt Haase. Er und seine Kollegen haben ihre Forschungsergebnisse in der neuesten Ausgabe des renommierten Forschungsmagazins "Nature Communications" veröffentlicht.

Mit diesem neuen Verständnis der supraleitenden Kupfer-Sauerstoff-Verbindungen, sogenannter Kuprate, ist Haase zufolge eine Perspektive für ihre Entwicklung hin zu normalen Temperaturen gegeben. Die Supraleitung wird heute bereits in vielfältiger Art angewandt, beispielsweise in Magneten für MRT-Geräte. Deren Betrieb wäre sehr viel einfacher und kostengünstiger, wenn Supraleiter bei Zimmertemperatur funktionieren würden. "Bis heute gibt es keine anerkannte Theorie für diese Kuprat-Supraleiter. Insbesondere ist unklar, ob die deutlich höheren Sprungtemperaturen, unterhalb derer Strom ohne Widerstand fließen kann, erhöht werden können, damit der tägliche Gebrauch möglich wird", sagt Haase.

Das Phänomen der Supraleitung wurde bereits 1911 in Metallen entdeckt, aber selbst Albert Einstein wagte sich damals nicht an eine Erklärung heran. Nahezu ein halbes Jahrhundert verging, bis 1957 die BCS-Theorie ein Verständnis der Supraleitung in Metallen lieferte. Im Jahr 1986 warf die Entdeckung von Supraleitung bei keramischen Materialien, Kuprat-Supraleiter, bei deutlich höheren Temperaturen durch die Physiker Georg Bednorz und Karl Alexander Müller neue Fragen auf, weckte aber zugleich die Hoffnung auf Supraleitung bei Raumtemperatur.

Nach Jahren der Stagnation der Forschung bei diesen Kupraten gibt es nun einen Fortschritt der Physiker aus Leipzig. Mit magnetischer Resonanz werden in der Forschergruppe von Prof. Haase schon seit Jahren Kuprat-Supraleiter untersucht. Nun konnte, insbesondere im Rahmen der Forschung eines Doktoranden von Haase, Dr. Michael Jurkutat, das erste Mal ein messbarer Materialparameter identifiziert werden, der die maximale Sprungtemperatur bestimmt. So können sie vorhersagen, wie der wahrscheinlichste Weg zur Supraleitung bei Zimmertemperatur aussieht und vielleicht das entscheidende Puzzleteil für das theoretische Verständnis liefern. "Wir können jetzt sagen, wie die Zusammensetzung der Kuprat-Verbindungen verändert werden muss, um die Temperatur zu erhöhen. Gemessen wird dabei die Verteilung der Ladung zwischen dem Kupfer und dem Sauerstoff. Von diesem Parameter hat man bisher nichts gewusst", erläutert Haase. Wie die Zusammensetzung dann konkret verändert werden muss, sei Aufgabe von Chemikern. Er denke aber, dass es nun - auch wegen der neuen Erkenntnisse der Leipziger Physiker - nicht mehr lange dauern wird, bis dieses 30 Jahre alte Rätsel gelöst ist und womöglich Supraleiter bei Zimmertemperatur auf dem Markt sind.

Fachveröffentlichung:
Perspective on the Phase Diagram of Cuprate High-Temperature Superconductors, in Nature Communications
doi: 10.1038//ncomms11413