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Die Fakultät für Physik und Geowissenschaften der Universität Leipzig, der Freundeskreis der Leipziger Fakultät ebenso wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität Vilnius (Litauen), der dortigen Fakultät für Physik, Radio Physics Department Vilnius (Litauen), trauern um Professor Georg Völkel, der nach längerer schwerer Krankheit am 8. Juni 2020 in Leipzig verstarb.

Georg Völkel ist durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der Elektronparamagnetischen Resonanz (EPR) und dabei vor allem der Elektronenspinrelaxation international bekannt geworden. Seine anfängliche wissenschaftliche Tätigkeit in Leipzig wurde dadurch geprägt, dass es zunächst um die Entwicklung der experimentellen Technik ging, da die Höchstfrequenztechnik nach dem zweiten Weltkrieg durch den Alliierten Kontrollrat stark eingeschränkt war und später unter Embargo fiel. So ging es unter der Leitung der Professoren Artur Lösche und Wolfgang Windsch zunächst um den Aufbau eines EPR-Spektrometers. Georg Völkel hatte in seiner Diplomarbeit eine Magnetfeldstabilisierung aufgebaut, so dass etwa 1964/1965 ein erstes funktionstüchtiges EPR-Spektrometer zur Verfügung stand, mit dessen Hilfe Untersuchungen zur Festkörper- und Molekülphysik durchgeführt werden konnten. Wichtig war dabei auch die Anschaffung eines kommerziellen EPR-Spektrometers im X-Band (9,4 GHz) und Q-Band (35 GHz) der japanischen Firma JEOL Ltd. (Tokyo) im Jahre 1965. Diese Entwicklungen führten 1969 zur Dissertation von Georg Völkel über Untersuchung von ferroelektrischen kupferdotierten Seignettesalz–Einkristallen mit Hilfe der paramagnetischen Elektronenresonanz. Arbeiten zu EPR-Impulsverfahren, die zunächst unter Leitung von Professor Harry Pfeifer durch Dr. Winfried Brunner und Dr. Friedrich Gentzsch begonnen worden waren, wurden dann von Georg Völkel fortgesetzt, und es erfolgte eine intensive Geräteentwicklung zusammen mit Dipl.-Ingenieur Joachim Höntsch und Dipl.-Ingenieur Dieter Heinhold. Seit etwa 1965 wurden ähnliche Arbeiten in den USA ausgeführt durch W. B. Mims (Bell Telephone Laboratories, Murray Hill; Schüler des berühmten Erwin L. Hahn – Hahnsches Echo etc.) und durch Larry Kevan (University of Houston) sowie in der UdSSR durch Kev M. Salikhov (Novosibirsk, Kasan), Yuri D. Tsvetkov (Novosibirsk) und Yakov S. Lebedev (Moskau). Bei den Leipziger Arbeiten auf diesem Gebiet unter Leitung von Georg Völkel wurden auch die Beziehungen zu diesen Forschungsgruppen genutzt. Die Leipziger Entwicklungen auf diesem Gebiet führten zu verschiedenen Dissertationen und im März 1984 zur Promotion B (Habilitation) von Georg Völkel über Anwendungen des Elektronenspinechoverfahrens zur Untersuchung uniaxialer Ferroelektrika.

In diesen Arbeiten wurden in erster Linie Relaxationszeitmessungen mit Spin-Echo-Methoden im Zusammenhang mit festkörperphysikalischen Untersuchungen ausgeführt. Bereits 1965 waren aber in den USA von Rowan, Hahn und Mims auch ESEEM-Methoden (Electron Spin Echo Envelope Modulation) und von Davies Impuls-ENDOR-Techniken vorgeschlagen worden. Die darauf aufbauenden Entwicklungen von weiteren Impulsverfahren zur Messungen von Hyperfeinkopplungen waren dann insbesondere durch die Züricher Gruppe um Arthur Schweiger international geprägt. Trotz der Beschränkungen infolge des Embargos gelang es unter anderem in einer durch gute persönliche Kontakte geprägten Kooperation mit Kollegen aus den Forschungszentren in Novosibirsk, auch in Leipzig Mikrowellengeneratoren für einen kohärenten Mikrowellen-Impulsbetrieb einzusetzen. Diese Entwicklungen verstärkten sich dann nach 1989, nachdem diese modernen Mikrowellengeneratoren nun auch in Leipzig in verstärktem Maße verfügbar und dabei auch kommerzielle Anlagen (Firma Bruker, Karlsruhe) zugänglich waren.

Georg Völkel (* 15. März 1938 in Pausa) besuchte die Zentralschule in Pausa und die EOS (Erweiterte Oberschule) in Zeulenroda, erwarb 1956 das Abitur und studierte ab 1956 in der Fachrichtung Physik-Diplom an der KMU Leipzig. Nach einer längeren Unterbrechung wegen Krankheit beendete er das Studium im Jahre 1962 mit einer Diplomarbeit bei Artur Lösche Über die Stabilisierung und lineare Veränderung des Magnetfeldes eines X-Band-Spektrometers für Elektronenspinresonanz. 1962 – 1964 war er als Aspirant und ab 1964 als Wissenschaftlicher Assistent in der Abteilung von Lösche tätig und beteiligte sich in der Forschungsgruppe um Wolfgang Windsch ab 1962 an den Geräteentwicklung zur EPR und experimentellen Untersuchungen an Festkörpern. Die Untersuchungen an Wasserstoffzentren in SrF2 - Kristallen und ferroelektrischem Seignettesalzführten führten 1969 zur Promotion. Danach wurde er zum Oberassistenten ernannt und war 1969 – 1972 als Wissenschaftlicher Sekretär des Sektionsdirektors tätig. Er erwarb 1971 die facultas docendi (Lehrbefähigung) und wurde 1972 zum Hochschuldozenten berufen. Nachdem in Leipzig das erste Elektronen-Spin-Echo-Impulsspektrometer (ESE-Spektrometer) entwickelt worden war, befasste er sich verstärkt mit theoretischen und experimentellen Fragen der Elektronenspinrelaxation in Festkörpern. Zu theoretischen Fragen gestaltete sich eine enge Zusammenarbeit mit der Theoretikergruppe von Professor Adolf Kühnel (1936 – 2019), Thomas Nattermann und Steffen Trimper. 1972 war er drei Monate im Labor von Professor Semen Alexandrowitsch Altschuler (1911 – 1983) an der Kasaner Universität tätig, 1978 weilte er drei Monate als Gastwissenschaftler in den USA bei Erwin Hahn (1921 – 2016) in Berkeley, bei Hugo Schmidt (* 1931) und Jack Drumheller (1931 – 2012) in Bozeman/Montana und bei John L. Bjorkstam (1927 – 2016) in Seattle. Daneben gab es wissenschaftliche Kontakte mit dem Forschungszentrum „Akademgorodok“ in Novosibirsk, UdSSR (Juri Zvetkov, Kev Salichov). 1984 verteidigte er die Dissertation zur Promotion B. 1988 wurde er zum Außerordentlichen Professor ernannt. Promotion B und facultas docendi wurden 1991 an der Universität Leipzig als Habilitation anerkannt. Von 1994 bis zum planmäßigen Ausscheiden aus der Universität 2003 war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Physik dielektrischer Festköper tätig, wo er unter anderem eine enge Zusammenarbeit mit Juras Banys (* 1962) von der Universität Vilnius (Litauen) pflegte. 2008 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Vilnius. Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeiten lagen neben EPR, ESE und dielektrischer Spektroskopie auf dem Gebiet der Ferroelektrizität und der lokalen und kollektiven Dynamik bei strukturellen Phasenübergängen. Er war einbezogen in die enge Zusammenarbeit zwischen der Universität Saarland (Jörn Petersson) und der Universität Leipzig.

Wir werden das Andenken an den teuren Verstorbenen stets in allen Ehren bewahren.

Prof. Dr. Juras Banys, Vilnius Universität
Prof. Dr. Jürgen Haase, Universität Leipzig
Prof. Dr. Dieter Michel

Die Trauerfeier wird am 3. Juli 2020, 13 Uhr, in der Kirche in Zickra bei Auma (Weidatal) stattfinden.